Er ist so frei, sich frei zu entfalten
Heute wird er 70. Und er ist noch immer voller Bewegungsdrang. Die Bewegung hat es ihm angetan, die tänzerische, die Choreographie im Raum. "Alterswild" hält er sie fest mit Zeichenstift, Kamera und hartem Stahl. Der Mann mit der Baskenmütze: Eckhart Dietz.
Seiner Begeisterung für die Bewegung hat der Gmünder Bildhauer zuletzt während des sommerlichen Festivals auf Schloss Kapfenburg gefrönt. In der Ausstellung "Bewegung - Tanz" ließ er in den Motivserien von Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien und Montagen sein Publikum im vergleichenden Schauen aktiven Anteil haben an seinem stetigen Forschen nach dem, was ihm die menschliche Figur bedeutet: nach dem Zusammenhang zwischen Gestalt und Ausdruck, nach der Bewegung im doppelten Wortsinn des aktiven "Sich-Bewegens" und des emotionalen "Bewegt-Seins".
Die Veränderung von Figur durch Bewegung
Eigentlich wollte er ja dem familiär bedingten pädagogischen Impetus nachgeben. Aber statt als Lehrer verließ er die Hochschule als Bildhauer. Nach dem Staatsexamen 1959 hat er in der Türkei "ein halbes Jahr lang an der Freiheit geschnuppert". Der Freiheit zu tun und zu lassen, was er will.
Die Lektion hat ihm gefallen. Er ist dabei geblieben. Nie habe er bei öffentlichen Wettbewerben mitgemacht. Er wollte in seiner Kunst nicht "fremdbestimmt" sein. Vielleicht haben ihn auch seine Erfahrungen als Berater der Landesregierung in Fragen von Kunst am Bau von solchen Abenteuern abgehalten.
Ohnehin ist er wohl sich selbst das größte Abenteuer. "Das größte Wunder ist, dass ich existiere", meint er lächelnd, während seine Hand im mit Plastiken und Entwürfen vollgestopften Atelier in der Sternhalde en Zeichenstift über ein Blatt Papier führt. Ein Wunder für die andern, die sich vermutlich fragen von was der Mann lebt.
Es klopft an der Tür. Eine Frau bittet ihn, sie für ihren Mann zu zeichnen. "Aber angezogen". Dietz nickt freundlich. "Irgendwann" hatte er eingesehen, "dass es nicht reicht nackte Frauen zu zeichnen". Er hat sich dann jahrelang mit wahrnehmungspsychologischen Fragen beschäftigt, sich mit Biologie und Physik befasst und fast sechs Jahre über die Gestaltvarianten, die ein Doppelparallelogramm bietet gearbeitet. Zwei Bücher sind Resultat dieser Beschäftigung.
Fast wäre aus dem freien Bildhauer doch noch ein besoldeter Hochschullehrer geworden, damals Ende der Sechziger, als der junge Wilde, der zusammen mit Leuten wie Sommer, Kloss und Giers die Gmünder Szene aufgemischt hatte, als Lehrstuhlvertreter an der Akademie versucht hatte, "den Mief unter den Talaren etwas zu beseitigen". Aber dann hat er sich doch für die "Narrenfreiheit des Künstlers" entschieden. Das heißt für ihn "seit 25 Jahren unbeeinflusst von allen Strömungen das zu tun, was mir gefällt". Das scheint zu funktionieren, denn er fügt hinzu: "Ich leide keinen Hunger und ich habe keine Schulden".
Quelle: Gmünder Tagespost 31.10.2003 - www.gmuender-tagespost.de
Siehe auch: Mutter und Tochter, Tänzer und Torsi