Werkgruppen in weißer Weitläufigkeit
"Am Anfang war der Raum", beginnt Valeria Waibel ihre Einführung in die Ausstellung "Tanz im Technikum" von Eckhart Dietz. Ein weißer Raum, der einen in seiner Weitläufigkeit zu erdrücken droht. Bei Eckhart Dietz aber hat diese dreidimensionale Projektionsfläche einen Schöpfungsdrang von beinahe biblischem Ausmaß ausgelöst.
VON VIVIEN MOSKALIUK
Eine kleine Gruppe, angeführt vom Musikverein Iggingen-Brainkofen, wandert die neue Ringstraße empor, strömt auf das Technikum, das neue Zentrum für Forschung und Entwicklung der Firma Geiger in Brainkofen, zu und ergießt sich in besagte weiße Weitläufigkeit. Die Vernissagebesucher bleiben als Pulk am Eingang hängen, schwärmen langsam aus, immer an der Wand entlang, und bilden in Verbindung mit den Plastiken und Zeichnungen von Dietz, die das Rauminnere konsequent aussparen, eine erstaunliches atmendes und lebendes Relief.
Im hinteren Viertel begrenzt eine Wand den Raum, 27 Meter lang, und bildet einen kleinen verschwiegenen Gang. Von dieser Wand ging alles aus. "Diese Wand hat", so Dietz, "die Bewegung an sich gebunden". Und aus diesem Bund heraus wurde etwas geboren, das seinen Platz irgendwo zwischen Malerei und Bildhauerei einnimmt.
Die obligatorische schwarze Baskenmütze auf den ergrauenden Locken tänzelt Dietz mit jugendlicher Schlacksigkeit durch die Menschenmenge und erzählt: Über 50 Plastiken sind entstanden in Zusammenarbeit mit dieser Wand. Und mit der Choreographin Karren Foster. Plastiken aus diesem starren Metallguss, den man niemals in Einklang bringen würde mit Bewegung, gar mit Tanz. Plastiken, die aus sich selbst heraus in der Manier einer manieristischen figura serpentinata zu grazilen Metaphern für die Bewegung an sich erblühen.
Drei Werkgruppen finden sich hier, mit Skizzen, Fotos, Künstlerbüchern dokumentiert, und als Höhepunkt wird deren beredte Fühlbarkeit von Tanz dann im Stahl manifestiert. Bei den Solisten erforscht Dietz scherenschnitthaft die Beziehung einer individuellen Figur zum Raum, die Duette begegnen sich, werden miteinander konfrontiert. Den Raum zwischen ihnen lotet Dietz mannigfaltig aus. Die Trios indes sind eine Abfolge, eine Choreographie, sie erwecken einen Fluss von Bewegung zu künstlerischem Leben.
Neue Impulse hat der Gmünder Bildhauer in seinem Zusammenspiel mit der weißen Wand erhalten, hat den Schatten, das Spiegelbild der Tanzenden als autonomen Tänzer anerkannt und der weißen Wand so imaginäre Räumlichkeit abgetrotzt. Karren Foster führt den Arbeitsprozess in einer Tanzperformance vor, zeigt einen Arbeitsprozess, der selbst schon ein künstlerischer Akt ist. In expressiver Eleganz windet sie sich immer an der Wand entlang aus sich selbst heraus und erforscht in spielerischer Leichtigkeit den Fluss der Bewegung. Und auch der kurze Filmausschnitt lässt den Besucher einen Blick werfen über die Schulter des Meisters, lässt den Tanz zum Scherenschnitt werden, zum Foto, das Foto zur gestischen Malerei.
Diese Ausstellung ist beileibe keine Retrospektive. Sie ist ein Blick mitten hinein in das Herz eines Forschenden, eines Suchenden, eines Künstlers.
Quelle: Gmünder Tagespost 6.6.2005 - www.gmuender-tagespost.de
Siehe auch: Arbeitsbericht über die Lust am Tanz